Hermann
10.01.2016, 12:25
"Etwas zum Nachdenken von Sven Krumrey, Jahrgang 1973, von Haus aus Germanist und Historike"
Ich bin kein großer Nostalgiker und halte den Spruch „Früher war alles besser“, für ziemlichen Unsinn. Früher konnte gar nicht alles besser sein, schließlich waren wir da alle offline.
Doch frage ich mich inzwischen, was das Internet aus uns macht, ob es uns verändert. Zugegeben, die Beschimpfung war seit den frühesten Anfängen ein fester Bestandteil des Netzes, gerne mal übers Ziel hinausschießend und vulgär. Man kann anscheinend über alles streiten, die erbittertsten Wortgefechte habe ich dabei nicht im politischen Bereich, sondern im Bereich Tierhaltung und Ernährung gefunden, was mich bis heute verwundert. Wie man über Katzenhaltung und Veganismus mit Schaum vor dem Mund bitterste Verwünschungen in die Tastatur hacken kann, lässt sich wohl nur mit heiligem Eifer begründen, den Menschen in bestimmten Bereichen entwickeln. In einigen Fällen wird ein kalter Fanatismus draus, Krebs für den Charakter.
Ganz so hübsch bin ich nicht, wenn ich mich ärgere
Diese Fälle beunruhigen mich weniger, es sind wenige und in ihrem erbitterten Eifer outen sie sich meistens schnell als kaum zurechnungsfähig. Fanatiker gab es schon immer. Ob es um Musikstile ging, Religionen, politische Systeme oder Frisuren, es wurde beleidigt und die Vorfahren des Geschmähten wurden gerne dem Tierreich zugeordnet. Das hat mich nie beunruhigt, speziell Anonymität erleichtert das Pöbeln, man kennt das vom Fußballstadion oder im Straßenverkehr. Wenn ich aber in letzter Zeit in Kommentar-Bereichen lese, ob bei Youtube, Facebook oder in klassischen Medien wie Tageszeitungen, so fällt ein Trend höchst unschön auf: Viele Hemmschwellen scheinen zu fallen.
Besonders alarmierend: Selbst mit Klarnamen gibt es kein Pardon. Familienväter, die auf Profilbildern mit ihren Babys auf dem Arm in die Kamera strahlen, wünschen Andersdenkenden Tod und Pest an den Hals. Gab es das schon immer oder werde ich gerade alt und dünnhäutig? Anscheinend gehen diese Menschen davon aus, dass jede Äußerung und sei sie noch so derbe, ohne Konsequenzen bleibt. Gibt es da keinerlei Bedenken, sich voll Hass und Aggression der Welt zu zeigen? Obwohl ich nicht gerade als meinungsschwach gelte, mir wäre das extrem unangenehm. Oder befinden wir uns gerade auf dem Weg, im Netz alle Benimmregeln zu vergessen und die Aggressionen ungefiltert auf passende Ziele abzufeuern? Woher kommt das?
Die Zyniker unter meinen Freunden meinen, nun seien halt die Dummen im Internet angekommen. Jene, die wenig können, vieles nicht gelernt haben und deshalb mit purer Aggression auf alles eindreschen, was sie nicht verstehen. Die Entwicklung des Internets ging von einer Oase der Techniker hin zum Massenmedium, das ist klar. Selbst jene, die nicht wissen, wo man einen Computer anstellt, sind nun mit Smartphones im Netz und äußern sich manchmal mit der Empathie einer Nagelbombe. Wenn Rechtschreibung und Argumentation in Richtung des unglaublichen Hulks gehen, ist die Sache klar, sie können es halt nicht besser. Schade.
Eine ganz normale Familie. Auch im Internet?
Was mir hingegen wirklich Sorgen macht, sind jene, die ich mir locker als Nachbarn vorstellen könnte. Menschen, die sich um das Wohl ihrer Liebsten kümmern, Ihre Haustiere umsorgen und rundum sympathisch scheinen. Kürzlich sah ich in einem Supermarkt einen Herrn, dessen Äußerungen ich über Facebook kannte. Und während er seine Paprika aussuchte, dachte ich: „Das ist der Typ, der sich eine Weltherrschaft von Putin wünscht und allen politischen Gegnern den baldigen Exitus.“ Sonst wäre er mir unauffällig bis sympathisch vorgekommen, so griff ich mir meine Karotten und ging mit einem unguten Gefühl. Wenn solche Menschen mit der Extraportion Hass durchs Internet pflügen und jeden Andersdenkenden mit einem Schwall von Flüchen, Unterstellungen und Verwünschungen überziehen, ist das bedenklich.
Sind es zu viele Informationen, die auf uns einprasseln und unser Weltbild so kompliziert machen, dass wir selbst damit nicht mehr zurecht kommen? Sind es die Medien, die auf der Jagd nach Quoten und Klicks immer hysterischer berichten? Oder es ist die Welt selbst, die sich ändert und vieles in Frage stellt, was uns lange selbstverständlich vorkam?
Das Internet, wie es sein könnte
Dabei sollte doch jedem klar sein, dass man seinen eigenen Standpunkt dermaßen aggressiv denkbar schlecht vertreten kann. Niemand wird überzeugt, indem man ihm unterstellt, seine Eltern seien Geschwister. Man wirkt schlicht abstoßend. Ein Freund meinte mal: „Schreib so, als würde die Person vor Dir sitzen. Mit einer großen Keule in der Hand.“ Gut, der Ansatz ist vielleicht etwas zu defensiv, aber über eines müssen wir uns im Klaren sein: Wenn wir es nicht schaffen, vernünftig miteinander im Internet zu kommunizieren, so trennt es uns, statt uns zu verbinden. Dann werden sich Menschen radikalisieren und das betrifft nicht nur jene religiöse Extremisten, die durch die Medien geistern. Vielleicht werden wir unsere Nachbarn misstrauisch ansehen, nachdem wir gelesen haben, was sie in Rage von sich gegeben haben. In diesem Fall hätte das Internet, das dazu gedacht war, uns näher zu bringen, seinen Zweck komplett verfehlt. Eines sollten wir dabei nicht vergessen: Auch wir sind das Internet. Machen wir was draus.
Zurück zur Übersicht
Jürgen Karsten 10.01.201601:15
Ich stimme in der Mehrheit der Fragen mit Ihnen überein, möchte aber zugleich feststellen, dass Sie selbst auf der gleichen Schiene zu laufen scheinen. Oder ist es bei Ihnen nur die Angst vor Putin, die Sie so bestimmt argumentieren lässt? Im übrigen denke ich dass der Mensch in der Masse ganz einfach das eigene Denken vergisst und sich den aggressiven möchtegern Menschen anpassen. Das ist doch nicht so anstrengend, als sich über die großen Fragen der Menschheit sachlich zu unterhalten und mitzuhelfen Lösungswege zu finden. Zu diesen großen Fragen, zählen für mich eben nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern auch Verhaltensweisen, moralische Normen, Ethik und Solidarität des Menschen für den Menschen. Der Nachbar und das Internet ist nur ein Abbild dessen, was wir im Leben wahrnehmen wollen oder eben auch nicht. Die menschlichen Verhaltensweisen sind ein Ergebnis unseres eigenen Handelns. Wir müssen also nicht jammern über den anderen, sondern mit ihm zusammen die Aufgaben lösen die die Menschheit bei Strafe Ihres Untergangs lösen muss. Persönlich möchte ich Ihnen sagen, denken Sie mal darüber nach, ob Asozialität nicht diesem kapitalistischen System innewohnt?
Sven Krumrey 10.01.201601:58
Ach, der Herr Putin ist nicht sonderlich präsent für mich, eher kompromisslose Nachbarn. Genau um die von Ihnen angesprochene, gemeinsame Problemlösung geht es, die wird jedoch nur gelingen, wenn auch Menschen mit gegensätzlichen Meinungen miteinander sprechen können.
Eugen DEUBNER 10.01.201600:22
In einer Beschimpfung andersdendender erkenne ich keinen Diskussionsbeitrag, vielmehr einen Grund, diese betreffende Äußerung zu löschen bzw. zu ignorieren. Durch seine Äußerungen decouvriert man sehr deutlich, wes Geistes Kind man ist und welche Kinderstube man in welcher Geschwindigkeit durchmassen hat. Unfähigkeit zur Kommunikation mit anderen wird meiner Meinung nach durch mangelnden persönlichen Kontakt deutlich befördert.
Gerard Lampach 09.01.201621:52
gutes benehmen ist leider nicht mehr Tugend
weitsicht und offenheit für andere ansichten auch nicht
das heisst nicht dass ich das was in köln und anderen deutschen städten passiert ist gutheisse oder verteidige.
leider muss ich mich von allen religionen distanzieren denn keine ist unschuldig
ich wünsche mir nur dass unsere Politiker eine neue ansicht von sozialer Politik erkennen
das könnte schon viel helfen
Jörg Berger 09.01.201620:08
Vielleicht geht es für viele zu schnell. Jemand sagte einmal "Wir haben es geschafft das Raubtier in uns aus zu schalten, nicht jedoch den Esel".
Jedoch beweisen wir, dass doch beides noch in uns steckt.
Der erste Schritt wäre zu akzeptieren, dass Evolution Zeit braucht. Wir wären gerne, was wir (noch) nicht sind. Zu viele unserer Verhaltensweisen sind noch auf einfache, sehr primitive Instinkte zurück zu führen.
Und während wir es schaffen, dass unsere eigene Technik uns überholt, arbeiten wir noch an uns selber, jedoch zu langsam.
Ich war so sicher aufgeklärt zu sein und dachte, dass nach dem letzten Krieg und der durch die Medien veröffentlichten Reportagen niemand - wirklich niemand mehr - ernsthaft einen bewaffneten Konflikt in Betracht ziehen würde. Ich habe mich getäuscht.
Und es wird wohl auch noch Jahrhunderte, wenn nicht sogar Jahrtausende dauern, falls wir es überhaupt jemals schaffen uns wirklich zivilisiert zu verhalten. Denn das schaffen wir ja noch nicht einmal verbal - ich bin da manchmal keine Ausnahme!
Dabei hat die Geschichte gezeigt, dass Gewalt (in jeglicher Form) auf Dauer niemals Bestand hat.
Es sind die Beharrlichen, die - langsam aber stetig - durch Argumente und somit Überzeugung friedfertig die größeren Änderungen dauerhaft hervorbringen konnten.
Neue Technologien können dabei helfen, Grenzen ein zu reißen, denn Technik ist neutral. Wir haben sie geschaffen und wir könnten sie nutzen.
Doch bei einigen - so scheint es - hat die Schöpfung ihren Schöpfer überholt.
Sven Krumrey 09.01.201620:23
Als gelernter Geschichtler weiß ich ja auch, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Aber waren wir nicht schon mal weiter? Vielleicht muss man wirklich die Geduld aufbringen, die mir gerade fehlt.
Gilbrecht Gens 09.01.201619:21
Lieber Sven,
mein Rat:
Betrachte es doch mal von der anderen Seite.
Vielleicht ist das Internet geschaffen worden uns zu knechten, anstatt uns zu helfen.
Wenn wir uns nur genug streiten sehen wir das Wesentliche nicht mehr. Wem nützt es?
Die eigentlich Asozialen sind die, welche nicht teilen können oder wollen, vielleicht nützt es ihnen, dass wir uns streiten. Aus dem Streit wird Hass und aus dem Hass wird Kriegsbereitschaft.
Sei vorsichtig mit Parteinahme für oder gegen etwas, betrachte es vorher von der jeweils anderen Seite.
Nur Leute die sich nicht kennen bekämpfen sich, wie konnte es denn sonst zu den Weltkriegen kommen, wo sich völlig unbekannte Leute gegenseitig mit Kugeln "beleidigt" haben.
Bleib tapfer, lass Dich nicht aufhetzen und verstumme nicht.
Grüße Gilbrecht
Sven Krumrey 09.01.201620:12
Teile und herrsche? Charmante Interpretation. :) Wobei ich inzwischen glaube, dass man die Menschen nicht teilen muss, die machen das schon selbst.
Hans Michel 09.01.201619:03
Lassen Sie es mich so formulieren:
An einem Stammtisch, an dem nur Sch... geredet wird und an dem nur rassistisches Zeugs etc. geschwätzt wird, setze ich mich nicht mehr hin. Und einen Blog oder eine Kommentarseite (beliebige Beispiele web.de, t-online.de, selbst spiegel-online.de u.v.a.m.) auf der nur rassistisches und menschnefeindliches Zeugs verbraten wird, rufe ich nicht auf! Ende! So eonfach ist das. Ich kann ganz gut ohne eine Welt mit Blogs und ohne eine Welt mit Facebook leben. Das ist möglich! 'Früher' war nicht alles besser. Aber es war offenbar einfacher zu entscheiden, wem man zuhört und wen man liest! Vielleicht. lieber Sven, ist das das, was man wieder lernen sollte.
CH 08.01.201618:28
Lieber Sven,
ich glaube, Sie haben es oben bereits selbst beantwortet:
"Anscheinend gehen diese Menschen davon aus, dass jede Äußerung und sei sie noch so derbe, ohne Konsequenzen bleibt."
Ich denke, genau dies ist es. Wenn ich auf der Straße, im Lokal oder in der Bahn hemmungslos auf jemanden verbal einprügel, muss ich immerhin (noch) damit rechnen, dass der Betroffene sich mit einer Anzeige wegen Beleidigung "revanchiert" oder die Polizei holt. Strafrechtliche Konsequenzen sind die Folge.
Wenn aber Facebook und Konsorten sich sogar weigern, Hassbotschaften und Todesdrohungen aus ihren Foren zu löschen, stimmt mit unserer schönen Internet-Welt irgendwas nicht mehr.
Und es ist doch tatsächlich so: Ernsthafte Konsequenzen muss doch niemand fürchten, zumal ja auch meistens anonym oder unter Pseudonym gehandelt wird. Wenn aber generell die Hemmschwelle zu Gewalt - sei sei körperlich oder verbal - ins Bodenlose gesunken ist, was wir täglich an Schulen und auf Spielplätzen beobachten können, was wundern wir uns da über die von Ihnen beschriebenen Exzesse im Netz?
Was also tun? Ich weiß es nicht; aber auf jeden Fall nicht mitmachen, sondern zumindest für sich selbst dagegen halten. Das ist zumindest ein Anfang, wenn allerdings auch nur ein schwacher Trost.
Dietmar Schneidewind 08.01.201614:14
Genau so issses.
Wir kennen auch solchhe Leute. Bei uns ging es um Politik u.ä.
Es ging um einen läppischen neuen Bahhhnhof in Stuttgart. Wir wurden sogar als "Highlight" als Kinderschänder gebrandtmarkt, weil unsere selbst erklärten Gegner nix mehr einfiel, wie man uns begegnen müsste.
Mundtot haben sie uns trotzdem nicht bekommen.
Ich bin kein großer Nostalgiker und halte den Spruch „Früher war alles besser“, für ziemlichen Unsinn. Früher konnte gar nicht alles besser sein, schließlich waren wir da alle offline.
Doch frage ich mich inzwischen, was das Internet aus uns macht, ob es uns verändert. Zugegeben, die Beschimpfung war seit den frühesten Anfängen ein fester Bestandteil des Netzes, gerne mal übers Ziel hinausschießend und vulgär. Man kann anscheinend über alles streiten, die erbittertsten Wortgefechte habe ich dabei nicht im politischen Bereich, sondern im Bereich Tierhaltung und Ernährung gefunden, was mich bis heute verwundert. Wie man über Katzenhaltung und Veganismus mit Schaum vor dem Mund bitterste Verwünschungen in die Tastatur hacken kann, lässt sich wohl nur mit heiligem Eifer begründen, den Menschen in bestimmten Bereichen entwickeln. In einigen Fällen wird ein kalter Fanatismus draus, Krebs für den Charakter.
Ganz so hübsch bin ich nicht, wenn ich mich ärgere
Diese Fälle beunruhigen mich weniger, es sind wenige und in ihrem erbitterten Eifer outen sie sich meistens schnell als kaum zurechnungsfähig. Fanatiker gab es schon immer. Ob es um Musikstile ging, Religionen, politische Systeme oder Frisuren, es wurde beleidigt und die Vorfahren des Geschmähten wurden gerne dem Tierreich zugeordnet. Das hat mich nie beunruhigt, speziell Anonymität erleichtert das Pöbeln, man kennt das vom Fußballstadion oder im Straßenverkehr. Wenn ich aber in letzter Zeit in Kommentar-Bereichen lese, ob bei Youtube, Facebook oder in klassischen Medien wie Tageszeitungen, so fällt ein Trend höchst unschön auf: Viele Hemmschwellen scheinen zu fallen.
Besonders alarmierend: Selbst mit Klarnamen gibt es kein Pardon. Familienväter, die auf Profilbildern mit ihren Babys auf dem Arm in die Kamera strahlen, wünschen Andersdenkenden Tod und Pest an den Hals. Gab es das schon immer oder werde ich gerade alt und dünnhäutig? Anscheinend gehen diese Menschen davon aus, dass jede Äußerung und sei sie noch so derbe, ohne Konsequenzen bleibt. Gibt es da keinerlei Bedenken, sich voll Hass und Aggression der Welt zu zeigen? Obwohl ich nicht gerade als meinungsschwach gelte, mir wäre das extrem unangenehm. Oder befinden wir uns gerade auf dem Weg, im Netz alle Benimmregeln zu vergessen und die Aggressionen ungefiltert auf passende Ziele abzufeuern? Woher kommt das?
Die Zyniker unter meinen Freunden meinen, nun seien halt die Dummen im Internet angekommen. Jene, die wenig können, vieles nicht gelernt haben und deshalb mit purer Aggression auf alles eindreschen, was sie nicht verstehen. Die Entwicklung des Internets ging von einer Oase der Techniker hin zum Massenmedium, das ist klar. Selbst jene, die nicht wissen, wo man einen Computer anstellt, sind nun mit Smartphones im Netz und äußern sich manchmal mit der Empathie einer Nagelbombe. Wenn Rechtschreibung und Argumentation in Richtung des unglaublichen Hulks gehen, ist die Sache klar, sie können es halt nicht besser. Schade.
Eine ganz normale Familie. Auch im Internet?
Was mir hingegen wirklich Sorgen macht, sind jene, die ich mir locker als Nachbarn vorstellen könnte. Menschen, die sich um das Wohl ihrer Liebsten kümmern, Ihre Haustiere umsorgen und rundum sympathisch scheinen. Kürzlich sah ich in einem Supermarkt einen Herrn, dessen Äußerungen ich über Facebook kannte. Und während er seine Paprika aussuchte, dachte ich: „Das ist der Typ, der sich eine Weltherrschaft von Putin wünscht und allen politischen Gegnern den baldigen Exitus.“ Sonst wäre er mir unauffällig bis sympathisch vorgekommen, so griff ich mir meine Karotten und ging mit einem unguten Gefühl. Wenn solche Menschen mit der Extraportion Hass durchs Internet pflügen und jeden Andersdenkenden mit einem Schwall von Flüchen, Unterstellungen und Verwünschungen überziehen, ist das bedenklich.
Sind es zu viele Informationen, die auf uns einprasseln und unser Weltbild so kompliziert machen, dass wir selbst damit nicht mehr zurecht kommen? Sind es die Medien, die auf der Jagd nach Quoten und Klicks immer hysterischer berichten? Oder es ist die Welt selbst, die sich ändert und vieles in Frage stellt, was uns lange selbstverständlich vorkam?
Das Internet, wie es sein könnte
Dabei sollte doch jedem klar sein, dass man seinen eigenen Standpunkt dermaßen aggressiv denkbar schlecht vertreten kann. Niemand wird überzeugt, indem man ihm unterstellt, seine Eltern seien Geschwister. Man wirkt schlicht abstoßend. Ein Freund meinte mal: „Schreib so, als würde die Person vor Dir sitzen. Mit einer großen Keule in der Hand.“ Gut, der Ansatz ist vielleicht etwas zu defensiv, aber über eines müssen wir uns im Klaren sein: Wenn wir es nicht schaffen, vernünftig miteinander im Internet zu kommunizieren, so trennt es uns, statt uns zu verbinden. Dann werden sich Menschen radikalisieren und das betrifft nicht nur jene religiöse Extremisten, die durch die Medien geistern. Vielleicht werden wir unsere Nachbarn misstrauisch ansehen, nachdem wir gelesen haben, was sie in Rage von sich gegeben haben. In diesem Fall hätte das Internet, das dazu gedacht war, uns näher zu bringen, seinen Zweck komplett verfehlt. Eines sollten wir dabei nicht vergessen: Auch wir sind das Internet. Machen wir was draus.
Zurück zur Übersicht
Jürgen Karsten 10.01.201601:15
Ich stimme in der Mehrheit der Fragen mit Ihnen überein, möchte aber zugleich feststellen, dass Sie selbst auf der gleichen Schiene zu laufen scheinen. Oder ist es bei Ihnen nur die Angst vor Putin, die Sie so bestimmt argumentieren lässt? Im übrigen denke ich dass der Mensch in der Masse ganz einfach das eigene Denken vergisst und sich den aggressiven möchtegern Menschen anpassen. Das ist doch nicht so anstrengend, als sich über die großen Fragen der Menschheit sachlich zu unterhalten und mitzuhelfen Lösungswege zu finden. Zu diesen großen Fragen, zählen für mich eben nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern auch Verhaltensweisen, moralische Normen, Ethik und Solidarität des Menschen für den Menschen. Der Nachbar und das Internet ist nur ein Abbild dessen, was wir im Leben wahrnehmen wollen oder eben auch nicht. Die menschlichen Verhaltensweisen sind ein Ergebnis unseres eigenen Handelns. Wir müssen also nicht jammern über den anderen, sondern mit ihm zusammen die Aufgaben lösen die die Menschheit bei Strafe Ihres Untergangs lösen muss. Persönlich möchte ich Ihnen sagen, denken Sie mal darüber nach, ob Asozialität nicht diesem kapitalistischen System innewohnt?
Sven Krumrey 10.01.201601:58
Ach, der Herr Putin ist nicht sonderlich präsent für mich, eher kompromisslose Nachbarn. Genau um die von Ihnen angesprochene, gemeinsame Problemlösung geht es, die wird jedoch nur gelingen, wenn auch Menschen mit gegensätzlichen Meinungen miteinander sprechen können.
Eugen DEUBNER 10.01.201600:22
In einer Beschimpfung andersdendender erkenne ich keinen Diskussionsbeitrag, vielmehr einen Grund, diese betreffende Äußerung zu löschen bzw. zu ignorieren. Durch seine Äußerungen decouvriert man sehr deutlich, wes Geistes Kind man ist und welche Kinderstube man in welcher Geschwindigkeit durchmassen hat. Unfähigkeit zur Kommunikation mit anderen wird meiner Meinung nach durch mangelnden persönlichen Kontakt deutlich befördert.
Gerard Lampach 09.01.201621:52
gutes benehmen ist leider nicht mehr Tugend
weitsicht und offenheit für andere ansichten auch nicht
das heisst nicht dass ich das was in köln und anderen deutschen städten passiert ist gutheisse oder verteidige.
leider muss ich mich von allen religionen distanzieren denn keine ist unschuldig
ich wünsche mir nur dass unsere Politiker eine neue ansicht von sozialer Politik erkennen
das könnte schon viel helfen
Jörg Berger 09.01.201620:08
Vielleicht geht es für viele zu schnell. Jemand sagte einmal "Wir haben es geschafft das Raubtier in uns aus zu schalten, nicht jedoch den Esel".
Jedoch beweisen wir, dass doch beides noch in uns steckt.
Der erste Schritt wäre zu akzeptieren, dass Evolution Zeit braucht. Wir wären gerne, was wir (noch) nicht sind. Zu viele unserer Verhaltensweisen sind noch auf einfache, sehr primitive Instinkte zurück zu führen.
Und während wir es schaffen, dass unsere eigene Technik uns überholt, arbeiten wir noch an uns selber, jedoch zu langsam.
Ich war so sicher aufgeklärt zu sein und dachte, dass nach dem letzten Krieg und der durch die Medien veröffentlichten Reportagen niemand - wirklich niemand mehr - ernsthaft einen bewaffneten Konflikt in Betracht ziehen würde. Ich habe mich getäuscht.
Und es wird wohl auch noch Jahrhunderte, wenn nicht sogar Jahrtausende dauern, falls wir es überhaupt jemals schaffen uns wirklich zivilisiert zu verhalten. Denn das schaffen wir ja noch nicht einmal verbal - ich bin da manchmal keine Ausnahme!
Dabei hat die Geschichte gezeigt, dass Gewalt (in jeglicher Form) auf Dauer niemals Bestand hat.
Es sind die Beharrlichen, die - langsam aber stetig - durch Argumente und somit Überzeugung friedfertig die größeren Änderungen dauerhaft hervorbringen konnten.
Neue Technologien können dabei helfen, Grenzen ein zu reißen, denn Technik ist neutral. Wir haben sie geschaffen und wir könnten sie nutzen.
Doch bei einigen - so scheint es - hat die Schöpfung ihren Schöpfer überholt.
Sven Krumrey 09.01.201620:23
Als gelernter Geschichtler weiß ich ja auch, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Aber waren wir nicht schon mal weiter? Vielleicht muss man wirklich die Geduld aufbringen, die mir gerade fehlt.
Gilbrecht Gens 09.01.201619:21
Lieber Sven,
mein Rat:
Betrachte es doch mal von der anderen Seite.
Vielleicht ist das Internet geschaffen worden uns zu knechten, anstatt uns zu helfen.
Wenn wir uns nur genug streiten sehen wir das Wesentliche nicht mehr. Wem nützt es?
Die eigentlich Asozialen sind die, welche nicht teilen können oder wollen, vielleicht nützt es ihnen, dass wir uns streiten. Aus dem Streit wird Hass und aus dem Hass wird Kriegsbereitschaft.
Sei vorsichtig mit Parteinahme für oder gegen etwas, betrachte es vorher von der jeweils anderen Seite.
Nur Leute die sich nicht kennen bekämpfen sich, wie konnte es denn sonst zu den Weltkriegen kommen, wo sich völlig unbekannte Leute gegenseitig mit Kugeln "beleidigt" haben.
Bleib tapfer, lass Dich nicht aufhetzen und verstumme nicht.
Grüße Gilbrecht
Sven Krumrey 09.01.201620:12
Teile und herrsche? Charmante Interpretation. :) Wobei ich inzwischen glaube, dass man die Menschen nicht teilen muss, die machen das schon selbst.
Hans Michel 09.01.201619:03
Lassen Sie es mich so formulieren:
An einem Stammtisch, an dem nur Sch... geredet wird und an dem nur rassistisches Zeugs etc. geschwätzt wird, setze ich mich nicht mehr hin. Und einen Blog oder eine Kommentarseite (beliebige Beispiele web.de, t-online.de, selbst spiegel-online.de u.v.a.m.) auf der nur rassistisches und menschnefeindliches Zeugs verbraten wird, rufe ich nicht auf! Ende! So eonfach ist das. Ich kann ganz gut ohne eine Welt mit Blogs und ohne eine Welt mit Facebook leben. Das ist möglich! 'Früher' war nicht alles besser. Aber es war offenbar einfacher zu entscheiden, wem man zuhört und wen man liest! Vielleicht. lieber Sven, ist das das, was man wieder lernen sollte.
CH 08.01.201618:28
Lieber Sven,
ich glaube, Sie haben es oben bereits selbst beantwortet:
"Anscheinend gehen diese Menschen davon aus, dass jede Äußerung und sei sie noch so derbe, ohne Konsequenzen bleibt."
Ich denke, genau dies ist es. Wenn ich auf der Straße, im Lokal oder in der Bahn hemmungslos auf jemanden verbal einprügel, muss ich immerhin (noch) damit rechnen, dass der Betroffene sich mit einer Anzeige wegen Beleidigung "revanchiert" oder die Polizei holt. Strafrechtliche Konsequenzen sind die Folge.
Wenn aber Facebook und Konsorten sich sogar weigern, Hassbotschaften und Todesdrohungen aus ihren Foren zu löschen, stimmt mit unserer schönen Internet-Welt irgendwas nicht mehr.
Und es ist doch tatsächlich so: Ernsthafte Konsequenzen muss doch niemand fürchten, zumal ja auch meistens anonym oder unter Pseudonym gehandelt wird. Wenn aber generell die Hemmschwelle zu Gewalt - sei sei körperlich oder verbal - ins Bodenlose gesunken ist, was wir täglich an Schulen und auf Spielplätzen beobachten können, was wundern wir uns da über die von Ihnen beschriebenen Exzesse im Netz?
Was also tun? Ich weiß es nicht; aber auf jeden Fall nicht mitmachen, sondern zumindest für sich selbst dagegen halten. Das ist zumindest ein Anfang, wenn allerdings auch nur ein schwacher Trost.
Dietmar Schneidewind 08.01.201614:14
Genau so issses.
Wir kennen auch solchhe Leute. Bei uns ging es um Politik u.ä.
Es ging um einen läppischen neuen Bahhhnhof in Stuttgart. Wir wurden sogar als "Highlight" als Kinderschänder gebrandtmarkt, weil unsere selbst erklärten Gegner nix mehr einfiel, wie man uns begegnen müsste.
Mundtot haben sie uns trotzdem nicht bekommen.