Auftrieb

[hanmue]

Liebe Piloten,

die simpelste, aber vielleicht am kontroversesten diskutierte Frage in Foren:
Warum fliegt ein Flugzeug, wie entsteht der Auftrieb?
Ich möchte nicht über Flügelprofile diskutieren, gehe aber immer davon aus, dass der Flügel oben stärker gewölbt ist als unten.

Nach dem Staupunkt existiert laminare Strömung, die oben (starke Wölbung) verengt wird (Luftschichten rücken näher aneinander), dadurch
entsteht ein Unterdruck (Sog), Gesetz von Bernoulli.

Unter dem Flügel ist eine Luftablenkung nach unten, dadurch entsteht ein Überdruck.

Also: Sowohl auf der Flügeloberseite als auch auf der Flügelunterseite wirken nach oben gerichtete Kräfte,
die zusammen die Auftriebskraft bilden.
Dabei ist der Betrag des Unterdrucks (Sog) über dem Flügel etwa doppelt so groß wie der Überdruck unter
dem Flügel.

Sog : Druck = 2 : 1
Sogkraft + Druckkraft = Auftrieb

Ist das richtig oder falsch?

[WoDi]

Moin Hans,

Deine These ist weder ganz falsch noch ganz richtig.

Richtig ist auf alle Fälle, dass, je nach Tragflächenprofil und Geschwindigkeit, an den Flügeln eine resultierende Kraft entstehen kann, die als Auftrieb bezeichnet wird. Nur damit allein kann aber noch kein Flugzeug fliegen.
Ein Physiker hat berechnet, dass sich eine Cessna 172 etwa 600 km/h bewegen müsste, um allein durch den "Auftrieb" fliegen zu können. Insoweit stimmt Deine These, nur ist sie nicht praktikabel.

Deine Formel ist nicht ganz richtig, weil Sog und Druck das gleiche ist, es ist nur eine Frage der Betrachtung. So etwa wie mit der Temperatur. Man meint, das Temperaturen unter 0°C kalt wären und darüber warm. Tatsächlich sind aber beide warm, bezogen auf den absoluten Nullpunkt.
Die resultierende Kraft an den Tragflächen folgt der bernoullischen Gleichung, die sehr vereinfacht lautet: Die Summe aus dynamischem und statischem Druck ist konstant (p+v=const).
Ebenfalls vereinfacht: Durch die nach oben gezeigte Wölbung der Tragflächen erhöht sich hier der dynamische Druck (die fließende Luft wird schneller) was den statischen Druck verringern lässt, es entsteht ein Unterdruck. Unterhalb der Tragfläche verringert sich der dynamische Druck, was den statischen Druck steigen lässt. Ob sich das aber wie 2:1 verhält vermag ich nicht zu sagen. Verallgemeinert kann es aber nicht stimmen.
Bei Jagdflugzeugen, die ein fast symmetrisches Flügelprofil haben, passt es jedenfalls schon mal nicht.

Bleibt die Frage nach der Ursache warum ein Flugzeug fliegen kann.
Wir wissen, dass das Flugzeug eine Neigung zur es umfließenden Luft hat (Pitch). Dadurch wird das Flugzeug bei hinreichender Geschwindigkeit, verursacht durch den Antrieb der Triebwerke/Motoren, sozusagen auf die Luft gelegt.
Jeder weiß, dass bei steigender Geschwindigkeit die Luft immer "härter" wird (Motorradfahrer können ein Lied davon singen). Ab Vr (Rotationsgeschwindigkeit) reicht die Anzahl der Luftteilchen pro Zeiteinheit aus, um das Flugzeug zu "tragen".
Durch den Pitch und die Motoren wird das Flugzeug gewissermaßen ständig neu auf die Luft geschoben. Ist die Differenz der Kräfte aus "Auftrieb" (durch die Motoren und der Flugzeugneigung) und die nach unten gerichtete Sinkkraft Null, dann fliegt das Flugzeug in gleichbleibender Höhe.

Meine sehr vereinfachte These ist, dass das Flugzeug nur durch den Antrieb und die Neigung fliegt, nicht durch den Auftrieb allein.

Gruß
Dieter

[Hermann]

Ich könnte es nicht besser erklären!

http://www.erklaert.de/fliegen/auftrieb


http://www.youtube.com/watch?v=xv3zcs0dvIE


Hier gehts etwas tiefer in die Materie:

http://www.youtube.com/watch?v=AYJyYf63qFg

[hanmue]

Moin Dieter und Hermann,
danke dass ihr Euch dem Thema gewidmet habt. Dieses 2:1 Verhältnis stammt aus http://www.amazon.de/Motorflug-kompakt-Das-Grundwissen-Privatpilotenlizenz/dp/3613034433/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1356012163&sr=8-1
und ist nicht auf meinem Mist gewachsen.

In dem 2. Video wird das mit 2/3 Unterdruck (Sog, negativer Überdruck, oder wie immer man das nennen mag) und 1/3 Überdruck auch bestätigt.

Diesen Sachverhalt :


Ein Physiker hat berechnet, dass sich eine Cessna 172 etwa 600 km/h bewegen müsste, um allein durch den "Auftrieb" fliegen zu können.

finde ich neu und interessant, und dass Pitch am Fliegen beteiligt sein muß, leuchtet ein. Das würde doch aber bedeuten, wenn ich ohne Pitch fliege, müßte eine C172 unter 600km/h permanent sinken. Ist das so?

[WoDi]

Das würde doch aber bedeuten, wenn ich ohne Pitch fliege, müßte eine C172 unter 600km/h permanent sinken. Ist das so?
Nee, die Cessna würde ohne pitch fliegen. Unter 600 km/h würde sie gar nicht fliegen, weil die resultierende Kraft nicht ausreicht das Flugzeug anzuheben.
Stelle Dir das Flugzeug im Windkanal vor, strömungsdynamisch ist es das Gleiche. Unter 600 km/h würde das Flugzeug herunterfallen, ab 600 km/h könnte man es loslassen und es würde "getragen".
Aber bitte nicht festnageln auf die 600 km/h, es können auch etwas mehr sein. Den genauen Wert weiß ich nicht mehr.

Es ist ein weit verbreiteter Glaube, dass ein Flugzeug nur durch die Auftriebskräfte fliegen würde. Schön wäre es ja ...

Gruß
Dieter

[hanmue]

So simpel es klingen mag, wenn es "nur" der Bernoulli wäre, würden Papierflieger nicht fliegen..., so einfach ist das.
Pitch und die Impulsänderung der abgelenkten Luftmoleküle an den Flügeln spielen offenbar eine Hauptrolle und Bernoulli... nur die Nebenrolle.
Danke für diese anregenden Ideen und statements.